Revitalisierung

Die Revitalisierung des großelterlichen Bauernhofes bot sich in meinem Fall an, die Konzepte von Metamorphosis 2050 beispielhaft zu erproben. Die Heranführung von Prozessen an ihr natürliches Gleichgewicht betrifft unter anderem die Erhaltung biologischer Vielfalt, die Umsetzung kleinräumiger Bewirtschaftungs- und Energiekreisläufe, sowie eine Rückbesinnung auf traditionelle, umweltgerechte Materialien und Bautechniken.

Nach meinem beruflichen Wechsel von der technischen Produktentwicklung zur freischaffenden Wissenschaft sah ich es Ende 2013 an der Zeit, aus meinem persönlichen Hamsterrad auszusteigen und mich für eine Weile einer handwerklichen Herausforderung zuzuwenden.

Mit dem Bau einer „Küche fürs Leben“ verbinde ich bis heute den wesentlichen Kern der ganz essenziellen Dinge, die aus meiner persönlichen Sicht nachhaltiges Denken und Handeln ausmachen. Ich hoffte, viele damals noch sehr unstrukturierte Ideen, die ich mit diesen Konzepten verband, für ein weiterführendes konstruktives Vorgehen auf die Reihe zu bringen.

Inmitten dieser handwerklich wie geistig erbaulichen Gestaltungsphase erreichte mich die Einladung zur Bewerbung für eine Professur im Fachgebiet der Photonik. Für das Hearing sollte ich unter anderem ein für etwa 5.000 Studierende konzipiertes strategisches, fachübergreifendes Forschungsthema ausarbeiten. Mit Begeisterung nahm ich diese Gelegenheit zum Anlass, meinen Projektvorschlag Metamorphosis 2050, der alles mit meinen gesammelten Ideen, aber de facto nichts mit Photonik zu tun hatte, auszuarbeiten.

Nachdem aus dem entsprechend groß angelegten Vorhaben zunächst nichts wurde, entschied ich mich aufgrund eines durchwegs positiven Feedbacks im persönlichen Freundes- und Bekanntenkreis, das Projekt zu adaptieren und in Eigenregie Schritt für Schritt zu entwickeln: Ausgehend von den mit meiner eigenen Lebenssituation verbundenen Möglichkeiten entschied ich mich, an meinen Geburtsort in Waitzendorf bei St. Pölten zurückzukehren und den Kleinstbauernhof meiner Großeltern im Sinne des Projektes zu revitalisieren.

Kurz vor Beginn meiner Ambitionen, mich systematisch mit Metamorphosis 2050 zu befassen, war ich auf eine überaus hilfreiche Technologie aufmerksam geworden, die mein persönliches Mobilitätsverhalten komplett auf den Kopf stellte: das Klapprad. Ende 2013 verkaufte ich mein mutmaßlich letztes Auto. Der vermeintliche Verzicht auf diesen gewohnt fixen Bestandteil meines Erwachsenenlebens entpuppte sich für mich persönlich als wichtiger Schritt in eine größere Freiheit und als maßgeblicher Gewinn an Lebensqualität. Ausgehend von meinem bisherigen Lebensmittelpunkt in der Stadt war es fraglich, welche besonderen logistischen Herausforderungen sich bei der Hofrevitalisierung ohne eigenes Kraftfahrzeug ergeben würden.

Auf dem Grundstück, das seit über zehn Jahren sich selbst überlassen war, fiel mir bei meiner Rückkehr eine biologische Vielfalt und Vitalität auf, die ich zu keiner Zeit meines vorangegangenen Erwachsenenlebens so wahrgenommen hatte. Diesen erfreulichen Umstand schuldete ich wohl eher meiner bisher fehlenden Aufmerksamkeit als der Einzigartigkeit dieses konkreten Ortes. Ein primäres Ziel aller Revitalisierungsmaßnahmen besteht jedenfalls darin, die rundum vorhandene Biodiversität so weit als möglich zu erhalten. Ein besonders einprägsames Erlebnis war der plötzliche Tod der „Hausamsel“, der meiner Wahrnehmung nach dazu führte, dass das soziale Verhalten anderer Amseln des Dorfes und vieler weiterer Vögel am Hof über mehrere Tage hinweg merklich bedrückt war. Ich hege bis heute kaum einen Zweifel, dass die Amsel in ihren verschiedenen Facetten eine Leitfigur für eine Vielzahl anderer Tiere darstellte.

Ein altes Haus erzählt seine Geschichte. In besonderer Weise trifft dies in meinem Fall zu: Die Bilder meiner frühesten Kindheit, die ich am Geburtsort verbrachte, wurden an jeder Ecke, an der ich Hand anlegte, wieder lebendig. Im Rahmen der anstehenden Revitalisierung geht es mir darum, das überantwortete Erbe zu erhalten und alte Konzepte mit heute sinnvoll erscheinenden Möglichkeiten zu verbinden. Ein generelles Ziel besteht darin, bauliche Eingriffe, die dem ursprünglichen Bauwerk augenscheinlich geschadet haben, rückgängig zu machen und weitestgehend auf originalgetreue Baustoffe, gestalterische Elemente und handwerkliche Mittel aus der etwa 100 Jahre zurückliegenden Bauzeit zurückzugreifen.

Im konkreten Fall bezieht sich die Herausforderung eines nachhaltigen Gestaltens auch auf die Bestellung und Pflege des zum Haus gehörigen Gartens. Als unwissender, ungeübter Städter war es ein Segen, nicht nur auf guten Rat, sondern auch auf die ganz praktische Hilfestellung meiner Nachbarn bauen zu können. Vom Dengeln der Sense bis zum Gewinnen und Aufbewahren von Saatgut aus der eigenen Ernte: In allen Belangen halfen mir jene Menschen weiter, die mich von klein auf kennen, und die am generationenübergreifend geführten Bauernhof stets zur Erhaltung und Vertiefung dieses tradierten Wissens beigetragen haben.

Die Instandsetzung des knapp nach meiner Geburt stillgelegten Brunnens war mir ein ganz besonderes Anliegen. Die Wiederherstellung der Trinkwasserqualität schien mir angesichts der konventionellen Landwirtschaft in der näheren Umgebung zunächst nicht realistisch, aber gerade deswegen sah ich diesen Hausbrunnen als Indikator für die Wirksamkeit kontinuierlicher Verbesserungsmaßnahmen ebenso wie als symbolische und emotionale Mitte für den gesamten Selbstversuch. Die Familie, die den unmittelbar an den Hof angrenzenden Acker bewirtschaftet, hat sich erfreulicherweise dazu bereit erklärt, eine Umstellung auf biologische Bewirtschaftungsmethoden vorzubereiten und auf diese Weise zum Gelingen des Projektes beizutragen.

In der Rubrik Beiträge finden Sie nähere Beschreibungen zu diesen und weiteren Themen, die ich für interessierte Menschen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, verfasst habe. Ich werde diese Rubrik mit Fortschreiten des Projektes kontinuierlich ergänzen.